Vorschau von Crescendo:
Verfemt – verfolgt – vertrieben
Mit Werken von Paul Ben-Haim, Edison Denisov, Arsen Babajanyan u.a. findet unter dem Motto »Varieté« am 21. Mai 2023 in der Allerheiligen Hofkirche der Münchner Residenz das Saison-Abschlusskonzert der Odeon-Reihe statt.
„Ich bin nicht Russe, obwohl Russisch meine Muttersprache ist… Aber die eigentliche Muttersprache war wiederum das halbvergessene und halb falsche Deutsch der Wolgadeutschen. Dann hatte ich noch das Problem, dass ich zur Hälfte Jude bin, obwohl ich Jiddisch überhaupt nicht beherrsche. Also gehöre ich zu niemandem: weder zu den Russen, noch zu den Deutschen aller Art, noch zu den Juden. Ich habe kein Land, ich habe keinen Platz… Wenn ich jetzt irgendwohin emigrierte, blieben mir doch alle Probleme“, suchte der Komponist Alfred Schnittke seine Identität zu beschreiben. Seine Suite im alten Stil, eine Folge stilisierter Barocktänze, aus dem Jahr 1972 eröffnet das Odeon-Abschlusskonzert der Saison 2022/2023.
In der Reihe der Odeon Konzerte musizieren Studierende der Meisterklassen mit ihren Professoren und prominenten Gästen. Zu den Ausführenden gehören die Saxofonisten Márton Bubreg, Rocco Ceraolo, Nikolai Kushnir, João Marinho, Andrej Omejc, Anna-Marie Schäfer, José Sousa, Alina Weiss, Zihao Wang und Laura Pollinger aus der Meisterklasse des Saxofonisten Koryun Asatryan, der Pianist Ingo Quast, der Cembalist Tung-Han Hu, der Klarinettist Luka Gantar, der Schlagzeuger Davide Lovato und der Kontrabassist Anton Kammermeier. Die Leitung der Matinée haben Johannes Obermeier und Armando Merino inne. Veranstaltet wird die Reihe seit 2006 von EUROPAMUSICALE, dem Münchener Konzertverein und der Hochschule für Musik und Theater München. Auf dem Programm stehen selten gespielte Werke der Kammermusik in ungewöhnlichen Besetzungen sowie verfemte Musik verfolgter, vertriebener und ermordeter Komponisten der NS-Zeit.
Die fünf Matineen der Reihe waren dem Komponisten Paul Ben-Haim gewidmet. Er wurde 1897 als Paul Frankenberger in München geboren, studierte an der Akademie für Tonkunst und war Assistent von Bruno Walter und Hans Knappertsbusch. 1924 wurde er Chorleiter und Kapellmeister in Augsburg, bis man ihn 1931 vom Dienst suspendierte. Er kehrte nach München zurück und wirkte als Liebegleiter und Komponist. 1933 emigrierte er nach Palästina, wo er den Namen Paul Ben-Haim annahm. In Tel Aviv lernte er die Sängerin Bracha Zefira kennen und durch sie die jüdische und arabische Musik, die fortan die Melodik und Rhythmik seiner Kompositionen beeinflusste. Er schrieb Sinfonien, Sonaten und Konzerte sowie liturgische Werke und Lieder und wurde nach 1945 einer der bekanntesten Komponisten Israels, wo er 948 starb. In der Abschlussmatinee erklingt von ihm die Pastorale Variée op. 31b aus dem Jahr 1945. Mit ihr erfüllt er sich seinen Wunsch, einen neuen, seine Umgebung widerspiegelnden Stil zu schaffen. In den farbenfrohen Variationen verbindet er westeuropäische und orientalische Traditionen.
Das Programm steht unter dem Motto „Varieté“, und ebenfalls zu hören gibt es Jazzkompositionen von Dmitri Schostakowitsch und Leonard Bernstein sowie Poiema V für acht Saxofone, Klavier und Schlagzeug von Arsen Babajanyan. Er stammt aus Jerewan und lebt seit seinem Studium an der Musik-Hochschule in München. Aus dem sibirischen Tomsk stammte der Komponist Edison Denisov. In seiner Sonate aus dem Jahr 1960 lotet er die Flöte in ihrer vollen Höhe und Tiefe aus, wie er auch extreme dynamische Gegensätze verarbeitet.
Zur Aufführung kommen aber auch Arrangements der Gesänge Maria, mater gratiae und O vos omnes von Carlo Gesualdo. Der Fürst von Venosa ist als Komponist ebenso berühmt wie als Mörder seiner Ehefrau und ihres Geliebten in flagrante delicto. Seine geistlichen Kompositionen allerdings blieben lange unbekannt. Bis zum 20. Jahrhundert gab es als einzigen Hinweis darauf nur einen Brief an den Herzog Alfonso, worin der Komponist Alfonso Fontanelli berichtet, der Fürst habe eifrig geschrieben und außer mehreren Madrigalen eine Motette und eine Arie komponiert. Das fünfstimmige Maria, mater gratiae schrieb Gesualdo vermutlich für den Gebrauch zum Fest der sieben Schmerzen Mariae, das unmittelbar auf das Fest der Kreuzerhöhung am 14. September folgte. Und auch das alte Klagelied O vos omnes, das im 16. Jahrhundert häufige Vertonungen erfuhr, wurde von Gesualdo wirkungsvoll bearbeitet. Wolfgang Rihm gibt in der Gesualdo-Biografie von Glenn Watkins eine emotionale Beschreibung seiner Musik: „Gerade hat der Principe noch mit dem Dolch in Leichen gestochen, schon setzt er peinvolle, süßdunkle Kontrapunkte, die schönsten, die es gibt. Bestimmt war er grün im Gesicht, und gelblicht. – Er bleibt ohne Beispiel.“
von Ruth Renée Reif
17. Mai 2023
DIALOGE (I bis VI) - unter diesem Motto stehen die ODEON Konzerte der kommenden Saison.
Erleben Sie ein einzigartiges musikalisches Fest, das Tradition und Moderne in faszinierender Weise verbindet. Bei unserer außergewöhnlichen Konzertreihe werden die kammermusikalischen Klavierwerke von W.A. Mozart ab Triobesetzung abwechselnd auf einem historisch authentischen Hammerflügel und auf einem modernen Konzertflügel präsentiert. Am ersten und am letzten Abend erwartet Sie ein besonderes Highlight: verschiedene Werke werden auf beiden Instrumenten direkt nacheinander gespielt, sodass Sie die Unterschiede und Feinheiten im Klangbild hautnah erleben können. Diese Gegenüberstellung ermöglicht Ihnen, die klanglichen Nuancen und die emotionale Tiefe der Kompositionen auf eine völlig neue Art und Weise zu erleben. Die renommierten Pianisten Christine Schornsheim und Markus Bellheim werden gemeinsam auftreten. Bei den weiteren vier Konzerten tauchen Sie jeweils in eine andere Klangwelt ein: mal auf dem historischen Hammerflügel, mal auf dem modernen Instrument, wodurch jede Aufführung ein individuelles Klangerlebnis wird.
Mit den ODEON Konzerten werden verfemte Komponisten wieder entdeckt. Die Konzertreihe steht somit für ein „Kennen- und achten lernen“. In der Konzertsaison 2024/25 stellen wir Wolfgang Jacobi (1894-1972) vor, der als Komponist u. a. für die Arbeiterchorbewegung Werke wie „Der Menschenmaulwurf“ (1932) geschrieben hat. Er wurde von den Nationalsozialisten von 1933 bis 1945 mit einem Berufs- und Aufführungsverbot belegt, da er aufgrund seines jüdischen Vaters als „Halbjude“ eingestuft wurde. Zunächst suchte Jacobi mit Frau und Kindern Zuflucht in Malcesine am Gardasee, aber die Devisensperre zwingt die Familie im Winter 1935 zur Rückkehr nach Deutschland. In München warten sie völlig isoliert das Ende des Nazi-Terrors ab. Nach Kriegsende erhielt Jacobi einen Lehrauftrag an der Hochschule für Musik & Theater München.
Es erwartet Sie ein Konzertereignis, das durch seine besondere Darbietungsform und die herausragende Qualität der Musiker begeistert. Wie immer musizieren die Professorinnen und Professoren der Hochschule für Musik und Theater München (HMTM) gemeinsam mit hochbegabten Studierenden der Hochschule. Lassen Sie sich dieses einmalige Hörerlebnis nicht entgehen und sichern Sie sich Ihren Platz bei dieser außergewöhnlichen Reise durch die Musikgeschichte.
Klaviertrio in C-Dur KV 548 (1788)
Allegro
Andante cantabile
Allegro
Klaviertrio in G-Dur KV 564 (1788)
Allegro
Andante (Thema mit Variationen)
Allegretto